Juni 2025
Seit längerer Zeit liege ich mit meinem Nachbarn im Clinch. Neuerdings kommt er regelmässig an meiner Haustüre klingeln, um mit mir unsere Differenzen auszudiskutieren. Da ich dies nicht will, habe ich ihm ein schriftliches Hausverbot zugestellt und ihn aufgefordert, mein Grundstück nicht mehr zu betreten. Gestern ist er nun erneut an meiner Haustüre erschienen. Kann ich ihn nun wegen Hausfriedensbruch anzeigen?
Des Hausfriedensbruchs nach Art. 186 StGB macht sich strafbar, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. Die Bestimmung schützt das Hausrecht, worunter die Befugnis zu verstehen ist, über einen bestimmten Raum ungestört zu herrschen und darin den eigenen Willen frei zu betätigen. Umfriedet bedeutet dabei, dass solche Flächen umschlossen sein müssen, etwa durch Zäune oder Hecken. Massgebend ist die Erkennbarkeit der Abgrenzung, nicht deren Lückenlosigkeit. Nach dem Gesetzeswortlaut ist ein enger Konnex zu einem Haus vorausgesetzt, sodass z.B. eine vom Haus entfernte, eingezäunte Wiese nicht geschützt ist. Offene Plätze sind auch dann nicht geschützt, wenn sie zu einem Haus gehören. Ob ein Ort öffentlich zugänglich ist, beurteilt sich nicht nur nach rechtlichen (Privateigentum), sondern auch nach faktischen Gesichtspunkten.
Auf Grund Ihrer Schilderungen gehe ich davon aus, dass der Gehweg zu Ihrem Haus bzw. zum Eingangsbereich vor Ihrer Haustüre nicht umzäunt ist. Vielmehr scheint es so, dass der Hauseingang freizugänglich ist. Auch wenn es sich beim Gehweg zum Haus und dem Eingangsbereich vor der Haustür um Bereiche handelt, die zu Ihrem Grundstück gehören, sind sie offen in dem Sinne, dass sie für jedermann den Zugang zur Eingangstüre ermöglichen und sind als solche·vom Rest des Grundstücks klar unterscheidbar und gegen aussen nicht abgegrenzt. Aus diesem Grund fehlt es bei diesen Bereichen Ihres Grundstücks am objektiven Tatbestandsmerkmal der Umfriedung, weshalb kein Der Straftatbestand des Hausfriedensbruch vorliegt. Daran ändert auch das ausgesprochene Hausverbot nichts.
Anders würde es sich verhalten, wenn sie den Zugang zu Ihrer Haustüre durch einen Zaun, der nur durch das Öffnen eines Gartentors durchschritten werden könnte von der Strasse abgrenzt hätten oder wenn Ihr Nachbar den umfriedeten Garten oder das Haus selber betreten hätte.
Matthias Fricker
m.fricker@frickerseiler.ch