November 2024
Ich habe mündlich für eine neue Arbeitsstelle zugesagt. Nun habe ich ein besseres Jobangebot erhalten. Kann ich bei der ersten Stelle wieder absagen?
Vorab ist festzuhalten, dass Arbeitsverträge keiner besonderen Form bedürfen und daher auch mündlich abgeschlossen werden können. Aus diesem Grund ist grundsätzlich bereits dann ein beidseitig verbindlicher Arbeitsvertrag zustande gekommen, wenn der künftige Arbeitnehmer ein konkretes Stellenangebot des künftigen Arbeitgebers angenommen hat. Dass später zusätzlich ein schriftlicher Vertrag unterzeichnet wird, ändert daran nichts.
Ist ein Arbeitsvertrag gültig zustande gekommen, sind grundsätzlich beide Parteien gebunden. Allerdings sind Arbeitsverträge einseitig kündbar. Während des ersten Monats einer neuen Anstellung – der sogenannten Probezeit – kann jede Partei den Arbeitsvertrag mit einer Frist von sieben Tagen kündigen. Eine solche Kündigung ist nach herrschender Lehre auch bereits vor dem Stellenantritt möglich. Begründet wird dies damit, dass ohnehin am ersten Tag des Arbeitsverhältnisses eine Kündigung mit einer siebentätigen Frist ausgesprochen werden könnte.
Bislang noch nicht abschliessend geklärt ist die Frage, ob die siebentägige Kündigungsfrist bereits mit Zustellung der Kündigung oder aber erst am ersten Tag des Arbeitsverhältnisses zu laufen beginnt. Im ersten Fall wäre es möglich, dass die Kündigungsfrist noch vor dem Antrittsdatum ausläuft und folglich die Stelle gar nicht angetreten werden muss. Im zweiten Fall wäre die Arbeit am Antrittsdatum aufzunehmen und während sieben Tagen auszuführen; selbstverständlich mit entsprechendem Lohnanspruch. Die Sinnhaftigkeit dieser zweiten Auslegungsvariante darf zumindest angezweifelt werden. Ein Arbeitgeber hat kaum ein Interesse, einen neuen Arbeitnehmer für lediglich sieben Tage einzuarbeiten oder zu beschäftigen. Ein Arbeitnehmer hingegen macht von seinem vorzeitigen Kündigungsrecht mutmasslich Gebrauch, weil ihm bereits eine andere Stelle zugesichert ist. Diese wiederum kann er nur antreten, wenn er nicht anderweitige Arbeitspflichten zu erfüllen hat.
Die beschriebenen Unklarheiten können allenfalls mit einem einvernehmlichen Aufhebungsvertrag gelöst werden. Im Rahmen eines solchen Vertrags erklären beide Parteien die Zustimmung zu einer vorzeitigen Auflösung des ohnehin nicht anzutretenden Arbeitsverhältnisses.
Irene Koch
i.koch@frickerseiler.ch