November 2023

Eine Patientin in einem Altersheim ist gestürzt und hat sich den Oberschenkel gebrochen. Der Knochen sollte in einer Operation orthopädisch gerichtet und geschient werden. Allerdings bringt eine solche Operation wegen des geschwächten Herzkreislaufsystemes erhebliche Risiken mit sich. Die Patientin leidet auch an einer fortgeschrittenen Demenz. Wer soll entscheiden, ob die Operation durchgeführt wird oder nicht?

Grundsätzlich hat die Patientin selber in Diskussion mit dem behandelnden Arzt über die Operation zu entscheiden. Wenn die Demenz allerdings die kognitiven Fähigkeiten so stark einschränkt, dass sie nicht mehr in Lage ist, ihre medizinische Lage und die mit der Operation einhergehenden Risiken zu beurteilen, fehlt ihr die notwendige Urteilsfähigkeit und damit die eigene Entscheidungskompetenz.

In erster Linie ist dann auf eine Patientenverfügung abzustellen. Es entscheidet die dort genannte Person nach den in der Verfügung festgehaltenen Prinzipien. Fehlt eine Patientenverfügung und auch ein Vorsorgeauftrag und ist auch keine Beistandschaft errichtet worden, so muss eine nahe stehende Person, gemäss der vom Erwachsenenschutzrecht vorgegebenen Prioritätenordnung, entscheiden. An erster Stelle steht der Ehemann der Patientin. Ersatzweise wären dies ihre Nachkommen und bei deren Fehlen allfällige Geschwister. Für alle genannten Personen gilt aber, dass ihnen ein Vertretungsrecht nur zusteht, wenn sie sich regelmässig persönlich um die betroffene Person gekümmert haben. 

Wenn keine vertretungsberechtigte Person vorhanden ist oder das Vertretungsrecht ausüben will, muss die Erwachsenenschutzbehörde eine Vertretungsbeistandschaft errichten. Falls dies zu lange dauern würde und dringend entschieden werden muss, entscheidet die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt nach dem mutmasslichen Willen und den Interessen der betroffenen Patientin, ob die Operation ausgeführt werden soll oder nicht. 

Roger Seiler
r.seiler@frickerseiler.ch