Juni 2021
Unser Quartier ist durch eine Privatstrasse erschlossen, welche je zur Hälfte uns und unserem Nachbarn gehört. Leider kommt es immer wieder vor, dass Besucher des Nachbarn oder er selbst ihr Fahrzeug auf unserer Strassenseite parkieren. Dies ist sehr lästig und führt oft zu bösen Worten. Wir haben deshalb ein gerichtliches Verbot erwirkt, welches das Parkieren auf unserem Grundstück untersagt und im Widerhandlungsfalle mit einer Geldstrafe gebüsst werden kann. Ungefähr 10 Tage nachdem das Verbotsschild montiert und die Verfügung des Gerichts im Amtsblatt veröffentlicht worden war, erhob der Nachbar Einsprache. Das Gericht teilt uns nun mit, dass das gerichtliche Verbot nicht für unseren Nachbarn gelte. Stimmt das? Wenn ja: Bringt uns das (teure) gerichtliche Verbot überhaupt etwas?
Gemäss Art. 260 Abs. 2 ZPO ist das gerichtliche Verbot gegenüber Personen, welche innert 30 Tagen seit dessen Veröffentlichung Einsprache erheben, unwirksam. Vorliegend scheint dies lediglich auf Ihren Nachbarn persönlich zuzutreffen. Ist die 30-tägige Einsprachefrist abgelaufen, können vorerst wenigstens alle seine Besucherinnen und Besucher wegen unberechtigten Parkierens zur Anzeige gebracht werden.
Damit Sie das Parkverbot schlussendlich auch gegenüber ihrem Nachbarn durchsetzen können, müssen Sie beim Gericht eine Klage einreichen. Diese richtet sich gegen Ihren Nachbarn, stützt sich auf die Art. 928 und 641 Abs. 2 ZGB und hat zum Inhalt, Ihr Eigentum vor unberechtigten Einwirkungen und Störungen zu schützen oder dieselben zu beseitigen. Diese Zusatzschlaufe über das Gericht ist nötig, damit in einem ordentlichen Verfahren geprüft werden kann, ob das Abstellen von Fahrzeugen durch Ihren Nachbarn tatsächlich ohne Berechtigung erfolgt. Theoretisch wäre es nämlich möglich, dass Ihr Grundstück mit einer entsprechenden Dienstbarkeit zu Gunsten des Nachbargrundstückes belastet ist. Dies wird im (summarischen) Verfahren betreffend Erlass des gerichtlichen Verbots nicht geprüft und muss deshalb im Klageverfahren noch nachgeholt werden. Da Sie beweispflichtig sind, sollten Sie Ihrer Klage einen aktuellen Grundbuchauszug und Belege über die Störungen durch Ihren Nachbarn (wie z.B. Fotos) beilegen. Sobald Ihre Begehren gutgeheissen wurden, darf auch Ihr Nachbar nicht mehr auf Ihrer Strassenseite parkieren und kann ohne Weiteres von der Polizei gebüsst werden. Insofern bringt Ihnen auch das nun noch anzustrebende Klageverfahren einen Mehrwert: Ohne Einsprache und entsprechender materieller Prüfung der dinglichen Berechtigungen Ihres Nachbarn, hätte die Polizei dieselben nämlich vor der Verhängung einer Busse auf jeden Fall zuerst prüfen müssen. Eine solche Prüfung kann nun künftig entfallen.
Karin Koch Wick
k.koch@frickerseiler.ch