Frage des Monats

Mit der «Frage des Monats» nehmen wir rechtliche Fragen des täglichen Lebens auf und geben Ihnen kurze und nützliche Antworten.

2021

Dezember 2021

Mir wird von meinem Nachbarn vorgeworfen, ich hätte die unverschlossene Tür zu seinem Kel-lerabteil geöffnet und mehrere Flaschen Wein aus seinem Keller entwendet. Er hat mich dies-bezüglich angezeigt, worauf ich vor drei Monaten von der Polizei befragt wurde. Anlässlich die-ser Einvernahme wurde mir mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft gegen mich eine Untersu-chung wegen Hausfriedensbruch und Diebstahl eröffnet hat und ich von der Staatsanwaltschaft eingeschriebene Briefpost erhalten werde. Als ich vor zwei Wochen aus meinen Ferien zurück-gekehrt bin, habe ich im Briefkasten eine Abholungseinladung für eine eingeschriebene Post-sendung vorgefunden. Später stellte sich heraus, dass mir die Staatsanwaltschaft einen Strafbe-fehl zugesendet hat, mit welchem ich zu einer bedingten Geldstrafe wegen Hausfriedensbruchs und Diebstahls verurteilt wurde. Kann ich mich hiergegen wehren?

Die beschuldigte Person kann gegen einen Strafbefehl innert zehn Tagen nach Zustellung ohne Begründung Einsprache erheben. Diese Frist beginnt am Tag nach der Zustellung zu laufen. Erfolgt keine Einsprache, wird der Strafbefehl rechtskräftig. Wird eine eingeschriebene Postsendung nicht abgeholt, gilt sie am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als zugestellt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste. Im Falle eines nicht abgeholten Strafbefehls bedeutet dies, dass die Einsprachefrist zu laufen beginnt, auch wenn die beschuldigte Person diesen nie zu Gesicht bekommen hat – vorausgesetzt, sie musste mit einer Zustellung rechnen. Zur Beurteilung, ob mit einer Zustellung zu rechnen ist, wird geklärt, ob ein sog. Prozessrechtsverhältnis begründet wurde. Dies ist bspw. der Fall, wenn die beschuldigte Person von einer gegen sie eröffneten Strafuntersuchung Kenntnis erhält. Sodann darf zwischen der letzten Verfahrenshandlung und der Zustellung nicht eine zu lange Zeitspanne vergangen sein. In Ihrem Fall bedeutet dies, dass Sie aufgrund der Befragung sowie der expliziten Bekanntgabe der durch die Staatsanwaltschaft eröffneten Untersuchung mit der Zustellung eines Strafbefehls rechnen mussten; mit der Folge, dass die Einsprachefrist bereits abgelaufen und die Strafe rechtskräftig ist. Es empfiehlt sich daher, bei Kenntnis eines laufenden (Straf)Verfahrens die Verfahrensleitung über die Ferienabwesenheit zu informieren oder einen Stellvertreter zu bezeichnen. Ansonsten kann dies zu einem Schuldspruch führen – auch wenn man in der Sache eigentlich unschuldig ist.

Samuel Egli
s.egli@frickerseiler.ch

November 2021

Im Alter von 15 bis 17 Jahren wurde meine Zahnstellung korrigiert. Die Offerte sowie den entsprechenden Behandlungsvertrag mit dem Kieferorthopäden unterschrieb damals meine Mutter; ich selbst war mit der Behandlung einverstanden. Heute bin ich 20 Jahre alt und habe eben meine Lehre abgeschlossen. Gestern erhielt ich nun eine Rechnung einer Inkassostelle für über Fr. 2‘000.00, die meine Mutter anscheinend dem Zahnarzt für die Korrektur meiner Zähne noch schuldet. In dem Schreiben heisst es unter anderem, dass ich die Behandlung ja selbst gewollt hätte und darum auch als Vertragspartei und Schuldnerin gelte. Stimmt das? Muss ich diese Rechnung wirklich bezahlen?

Nein, Sie müssen die Rechnung nicht bezahlen. Vertragspartei des Kieferorthopäden ist die Person, die den Behandlungsvertrag abgeschlossen hat. Dies ist aufgrund der vorliegenden Belege (unterschriebene Offerte und Vertrag) klar Ihre Mutter. Sie hat mit dem Zahnarzt einen sogenannten Vertrag zugunsten einer Dritten (Art. 112 OR) abgeschlossen. Durch diesen Vertrag wurden Sie begünstigt, nicht aber schuldrechtlich verpflichtet.

Karin Koch Wick
k.koch@frickerseiler.c

Oktober 2021

Auf dem Grundstück nebenan ist ein altes Einfamilienhaus abgerissen und an dessen Stelle ein neues Gebäude errichtet worden. Die Bauarbeiten haben fast ein Jahr gedauert und ich habe mich vom Lärm gestört gefühlt und an gewissen Tagen wegen Lärm und Staub den Balkon kaum benützen können. Mein Vermieter hat mir eine geringfügige Herabsetzung des Mietzinses zugestanden. Kann ich vom Bauherrn eine ergänzende Entschädigung für die Immissionen verlangen?

Nein. In einem vertraglichen Verhältnis stehen Sie nur mit Ihrem Vermieter. Gemäss Mietrecht besteht allenfalls ein Herabsetzungsanspruch, den Sie ja bereits geltend gemacht haben. Fügt ein Grundeigentümer bei rechtmässiger Bewirtschaftung seines Grundstückes, namentlich beim Bauen, einem Nachbarn vorübergehend übermässige und unvermeidliche Nachteile zu, so kann der Nachbar vom Grundeigentümer lediglich Schadenersatz verlangen. Kein Anspruchs besteht aber auf die Einstellung von Bauarbeiten, solange diese möglichst schonend ausgeführt werden, oder auf eine Inkonvenienzzahlung. In Ihrem Fall fehlt von vornherein ein Schaden, der definitionsgemäss in einem Mehr an Passiven oder einem Weniger an Aktiven bestehen müsste und nachzuweisen wäre. 

Roger Seiler
r.seiler@frickerseiler.ch

September 2021

Ich habe am 30. März 2021 mit der Firma X einen Maklervertrag abgeschlossen. Gegenstand war eine Baulandparzelle, die zum Preis von Fr. 180'000.00 verkauft werden sollte. Bezüglich der Provision haben wir vereinbart: "Der Auftraggeber hat der Auftragnehmerin eine Provision von 3 % (mindestens Fr. 18'000.00) zuzüglich Mehrwertsteuer zu bezahlen." Die Maklerin schaltete in der Folge auf ihrer Homepage ein Inserat, worauf sich drei Interessenten meldeten. Innert sehr kurzer Zeit einigte man sich mit dem Interessenten Y auf der Basis eines Kaufpreises von Fr. 170'000.00. Y leistete eine Anzahlung von Fr. 20'000.00 an die Maklerin. Am 5. Mai 2021 wurde der Kaufvertrag beim Notar abgeschlossen.

Die Maklerin verlangt die vereinbarte Mindestprovision von Fr. 18'000.00 nebst Mehrwertsteuer. Ich bin der Auffassung, dass eine Provision in dieser Höhe völlig übersetzt ist. Die Maklerin hat meines Erachtens nicht mehr als rund drei Stunden aufgewendet. Ich habe der Maklerin eine Provision von 3 % des erzielten Verkaufspreises, mithin Fr. 5'100.00 angeboten. Sie hat dieses Angebot abgelehnt. Muss ich ihr wirklich Fr. 18'000.00 bezahlen?

Art. 417 OR bestimmt: "Ist für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss oder für die Vermittlung eines Einzelarbeitsvertrages oder eines Grundstückkaufes ein unverhältnismässig hoher Mäklerlohn vereinbart worden, so kann ihn der Richter auf Antrag des Schuldners auf einen angemessenen Betrag herabsetzen."

Diese Bestimmung schweigt sich darüber aus, nach welchen Kriterien die Unverhältnismässigkeit des von den Parteien vereinbarten Mäklerlohnes zu beurteilen ist. Nach der Rechtsprechung und Lehre ist nicht der Arbeits- oder Zeitaufwand massgebend, sondern der wirtschaftliche Wert der Leistungen des Mäklers. Ist die Höhe des vereinbarten Mäklerlohnes unverhältnismässig, so hat es der Richter so zu halten, wie wenn keine Vereinbarung über die Höhe getroffen worden wäre. Nicht erforderlich für die Herabsetzung des Mäklerlohnes ist das Vorliegen der subjektiven Merkmale der Übervorteilung, d.h. einer Ausbeutung der Notlage, Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des Auftraggebers. Im Liegenschaftenhandel gelten Provisionen von 1 – 2 % des Kaufpreises, ausnahmsweise von bis zu 3 %, für überbaute und von 3 – 5 % für unüberbaute Grundstücke als ortsüblich (BGE 138 III 669 E.3.1.). Die von der Maklerin verlangte Entschädigung entspräche einer Provision in der Höhe von 10,6 % des Kaufpreises. Eine Provision in dieser Höhe ist aus meiner Sicht übersetzt. Ihre Chancen auf Herabsetzung der Provision erachte ich als gut. Die von Ihnen vorgeschlagene Entschädigung auf der Basis von 3 % des Kaufpreises ist angemessen. 

Kurt Fricker
k.fricker@frickerseiler.ch

August 2021

Ich bin Eigentümer einer 4,5 Zimmer-Wohnung, welche ich vermietet habe. Der Mieter hat den Mietvertrag auf den 30. September 2021 gekündigt. Nun habe ich heute einen Brief des Mieters erhalten, in welchem er mir erklärt, er wandere per sofort nach Deutschland aus. Gleichzeitig hat mir der Mieter die Wohnungsschlüssel zurückgeschickt. Ich habe nun vor, den Mieter schriftlich darauf hinzuweisen, dass die Rückgabe der Wohnung erst am 30. September stattfindet. Ist dieses Vorgehen in Ordnung?

Nein. Zwar haftet der Mieter für Schäden am Mietobjekt, welche durch übermässige Abnützung entstehen. Gemäss Art. 267a Abs. 1 und 2 OR muss der Vermieter den Zustand der Sache jedoch bei der Rückgabe prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden. Unter "sofort" wird eine Frist von 2 – 3 Arbeitstagen verstanden. Versäumt es der Vermieter, die Mängel rechtzeitig zu rügen, verliert er seine Ansprüche gegenüber dem Mieter. Die Problematik in Ihrem Fall besteht nun darin, dass die sehr kurze Rügefrist von 2 – 3 Arbeitstagen nicht erst bei Beendigung des Mietverhältnisses, sondern bereits ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe der Mietsache erfolgt, unabhängig davon, ob die Rückgabe vorzeitig, verspätet oder zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietvertrags erfolgt. Die Rücksendung der Schlüssel an den Vermieter stellt eine Rückgabe des Mietobjekts dar.

 

Das Mietobjekt gilt somit per heute als zurückgegeben. Damit Sie die kurze Rügefrist einhalten können, müssen Sie das Mietobjekt somit unverzüglich prüfen. Dies können Sie auch in Abwesenheit des Mieters tun. Anschliessend müssen Sie dem Mieter allfällige Mängel innert der genannten 2 – 3 Arbeitstagen (ab heute) schriftlich mitteilen. Zur Beweissicherung empfehle ich Ihnen, das Schreiben eingeschrieben zu versenden. Ist Ihnen die neue Adresse des Mieters nicht bekannt, schicken Sie die Mängelrüge an die bisherige Adresse. 

 

Auch wenn die Mietsache durch die Rücksendung der Wohnungsschlüssel (vorzeitig) zurückgegeben wurde, endet das Mietverhältnis erst am 30. September 2021. Bis zu diesem Zeitpunkt schuldet der Mieter den Mietzins.

Matthias Fricker
m.fricker@frickerseiler.ch

Juli 2021

In meinem Arbeitsvertrag findet sich unter Ziff. 10.2. die Klausel, dass die Kündigung des Arbeitsvertrags schriftlich erfolgen muss. Nun hat mir mein Arbeitgeber am 28.6.2021 per Mail gekündigt. Ich habe nicht reagiert, da ich die Kündigung als ungültig erachte. Trifft meine Annahme zu?

Ja. Als Willenserklärung ist eine Kündigung zwar grundsätzlich an keine besondere Form gebunden. Es kann also mündlich, per Whatsapp oder gar mittels Nachricht auf der Combox gekündigt werden. Besteht indes – wie von Ihnen geschildert – eine vertragliche Abrede, die für die Kündigung Schriftlichkeit vorsieht, geht das Bundesgericht von einem Gültigkeitserfordernis aus. In solchen Fällen ist die Kündigung nur gültig, wenn diese eigenhändig unterzeichnet wird, was in einer Mail nicht möglich ist.

Unabhängig der vertraglichen Regelung empfiehlt sich in jedem Fall eine schriftliche Kündigung per Einschreiben. Denn die Beweislast für die Kündigung und deren rechtzeitigen Zugang liegt bei jener Person, welche sich auf die Kündigung beruft. Diese Beweise gelingen am besten mit einer eingeschriebenen Sendung.

Samuel Egli
s.egli@frickerseiler.ch

Juni 2021

Unser Quartier ist durch eine Privatstrasse erschlossen, welche je zur Hälfte uns und unserem Nachbarn gehört. Leider kommt es immer wieder vor, dass Besucher des Nachbarn oder er selbst ihr Fahrzeug auf unserer Strassenseite parkieren. Dies ist sehr lästig und führt oft zu bösen Worten. Wir haben deshalb ein gerichtliches Verbot erwirkt, welches das Parkieren auf unserem Grundstück untersagt und im Widerhandlungsfalle mit einer Geldstrafe gebüsst werden kann. Ungefähr 10 Tage nachdem das Verbotsschild montiert und die Verfügung des Gerichts im Amtsblatt veröffentlicht worden war, erhob der Nachbar Einsprache. Das Gericht teilt uns nun mit, dass das gerichtliche Verbot nicht für unseren Nachbarn gelte. Stimmt das? Wenn ja: Bringt uns das (teure) gerichtliche Verbot überhaupt etwas?

Gemäss Art. 260 Abs. 2 ZPO ist das gerichtliche Verbot gegenüber Personen, welche innert 30 Tagen seit dessen Veröffentlichung Einsprache erheben, unwirksam. Vorliegend scheint dies lediglich auf Ihren Nachbarn persönlich zuzutreffen. Ist die 30-tägige Einsprachefrist abgelaufen, können vorerst wenigstens alle seine Besucherinnen und Besucher wegen unberechtigten Parkierens zur Anzeige gebracht werden. 

Damit Sie das Parkverbot schlussendlich auch gegenüber ihrem Nachbarn durchsetzen können, müssen Sie beim Gericht eine Klage einreichen. Diese richtet sich gegen Ihren Nachbarn, stützt sich auf die Art. 928 und 641 Abs. 2 ZGB und hat zum Inhalt, Ihr Eigentum vor unberechtigten Einwirkungen und Störungen zu schützen oder dieselben zu beseitigen. Diese Zusatzschlaufe über das Gericht ist nötig, damit in einem ordentlichen Verfahren geprüft werden kann, ob das Abstellen von Fahrzeugen durch Ihren Nachbarn tatsächlich ohne Berechtigung erfolgt. Theoretisch wäre es nämlich möglich, dass Ihr Grundstück mit einer entsprechenden Dienstbarkeit zu Gunsten des Nachbargrundstückes belastet ist. Dies wird im (summarischen) Verfahren betreffend Erlass des gerichtlichen Verbots nicht geprüft und muss deshalb im Klageverfahren noch nachgeholt werden. Da Sie beweispflichtig sind, sollten Sie Ihrer Klage einen aktuellen Grundbuchauszug und Belege über die Störungen durch Ihren Nachbarn (wie z.B. Fotos) beilegen. Sobald Ihre Begehren gutgeheissen wurden, darf auch Ihr Nachbar nicht mehr auf Ihrer Strassenseite parkieren und kann ohne Weiteres von der Polizei gebüsst werden. Insofern bringt Ihnen auch das nun noch anzustrebende Klageverfahren einen Mehrwert: Ohne Einsprache und entsprechender materieller Prüfung der dinglichen Berechtigungen Ihres Nachbarn, hätte die Polizei dieselben nämlich vor der Verhängung einer Busse auf jeden Fall zuerst prüfen müssen. Eine solche Prüfung kann nun künftig entfallen.

Karin Koch Wick
k.koch@frickerseiler.ch

Mai 2021

Auf dem Nachbargrundstück ist ein Haus gebaut worden. Als Bewohnerin und Mieterin habe ich mich dadurch gestört gefühlt. Mein Vermieter will mir wegen des Baulärms nur eine geringfügige Herabsetzung des Mietzinses zugestehen. Kann ich nun weitergehende Forderungen gegen den bauenden Eigentümer des Nachbargrundstückes richten?

Fügt ein Grundeigentümer bei rechtmässiger Bewirtschaftung seines Grundstücks, namentlich beim Bauen, einem Nachbarn vorübergehend übermässige und unvermeidliche Nachteile zu und verursacht er dadurch einen Schaden, so kann der Nachbar vom Grundeigentümer gemäss Art. 679a ZGB lediglich Schadenersatz verlangen. Sind die Bauarbeiten hingegen nicht genehmigt oder hält sich die Bauunternehmung nicht an geltende Normen, so kann gemäss Art. 679 Abs. 1 ZGB auch die Beseitigung der Schädigung oder Schutz gegen drohenden Schaden, konkret also die Einstellung oder Beschränkung der Bauten verlangt werden. In Ihrem Fall sind die Bauarbeiten aber offenbar bereits abgeschlossen und es fallen keine Immissionen mehr an. Entsprechend bliebe in jedem Fall höchstens ein Schadenersatz. Jeder Schadenersatzanspruch setzt aber den Nachweis eines tatsächlich entstandenen finanziellen Nachteiles voraus. Dies wird in Ihrem Fall nicht möglich sein, ist durch die Immissionen doch zwar möglicherweise Ärger entstanden, aber weder eine Verminderung von Aktiven noch eine Vermehrung von Passiven. Eine Intervention hätte allenfalls bei Beginn der Bauarbeiten erfolgen sollen. Nun ist es zu spät. 

Roger Seiler
r.seiler@frickerseiler.ch

April 2021

Wir haben vor einem Jahr in einem Weiler im Fricktal eine Liegenschaft gekauft. Schon vor unserem Kauf benützte der Nachbar und sein Rechtsvorgänger unser Grundstück seit längerer Zeit als Zufahrt zu seinem Schopf und seiner Garage. Ein Wegrecht ist im Grundbuch nicht eingetragen. Auch wir haben das Befahren unseres Grundstückes durch den Nachbarn und seine Familie bis jetzt geduldet. Allerdings nimmt sich unser Nachbar seit einiger Zeit immer mehr Rechte heraus, sodass wir in der Benützung unserer Liegenschaft zunehmend eingeschränkt werden. Deshalb hat sich das Einvernehmen mit unserem Nachbarn verschlechtert. Wir haben ihm deshalb kürzlich schriftlich mitgeteilt, dass er unser Grundstück ab 1. Juni 2021 nicht mehr befahren darf. Heute nun liess uns sein Anwalt mitteilen, er werde beim Gericht Klage auf Einräumung eines Notwegrechtes einreichen, sofern wir nicht bereit seien, die Zufahrt im bisherigen Rahmen weiterhin zu gewähren.

Zu ergänzen ist, dass der Nachbar von der öffentlichen Strasse über sein eigenes Grundstück zur Garage und zum Schopf gelangen kann. Allerdings sind dazu grössere Investitionen notwendig.

Wie beurteilen Sie die Rechtslage?

Auf Ihrem Grundstück ist kein Wegrecht zugunsten des Grundstückes Ihres Nachbarn eingetragen. Ihrem Nachbarn und seinem Rechtsvorgänger wurde die Zufahrt zu Schopf und Garage über Ihr Grundstück von Ihnen und Ihrem Rechtsvorgänger schon seit Jahren gewährt. Daraus kann jedoch Ihr Nachbar kein Recht ableiten. Die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit ist in der von Ihnen geschilderten Situation nicht möglich. 

Gemäss Art. 694 Abs. 1 ZGB kann ein Grundeigentümer, der keinen genügenden Weg von seinem Grundstück auf eine öffentliche Strasse hat, beanspruchen, dass ihm die Nachbarn gegen volle Entschädigung einen Notweg einräumen. Das Grundstück Ihres Nachbarn grenzt an eine öffentliche Strasse. Allein schon aus diesem Grund hat Ihr Nachbar keinen Anspruch auf Einräumung eines Notwegrechtes. Ihrem Nachbarn ist zuzumuten, die baulichen Vorrichtungen auf seinem Grundstück (Garage/Schopf) so zu gestalten, dass er sie von der öffentlichen Strasse aus über sein eigenes Grundstück erreichen kann. 

Kurt Fricker
k.fricker@frickerseiler.ch

März 2021

Ein Eigentümer einer Stockwerkeigentümergemeinschaft möchte den Erneuerungsfonds neu in Aktien anlegen und hat der Stockwerkeigentümerversammlung einen entsprechenden Antrag gestellt. Ich bin der Meinung, dass für den entsprechenden Beschluss Einstimmigkeit erforderlich ist, da es sich dabei um eine luxuriöse Massnahme handelt. Ist dies korrekt?

Nein, dies ist so nicht korrekt.

Die von Ihnen erwähnte Unterscheidung zwischen notwendig, nützlich und luxuriös, betrifft nur bauliche Massnahmen nicht aber Fragen im Zusammenhang mit dem Erneuerungsfonds. Soweit das Reglement oder das Gesetz nichts anderes vorsehen, genügt für Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung mit einfache Mehr (Kopfstimmen) der anwesenden Stockwerkeigentümer. 

Bei der Frage, wie das Vermögen des Erneuerungsfonds anzulegen ist, dürfte es sich meines Erachtens jedoch um eine wichtigere Verwaltungshandlung handeln. Für solche Beschlüsse schreibt das Gesetz in Art. 647b ZGB das qualifizierte Mehr vor. Dem Antrag muss somit die Mehrheit aller Miteigentümer (Kopfstimmen), die zugleich den grösseren Teil der Sache (Wertquote) vertritt, zustimmen. Dabei werden nicht nur die anwesenden, sondern alle Stockwerkeigentümer und Anteil berücksichtigt. 

Vorbehalten bleiben selbstverständlich anderslautende Bestimmungen im Reglement. Um Unklarheiten zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, im Reglement klare Regeln festzulegen.

Matthias Fricker
m.fricker@frickerseiler.ch

Februar 2021

Ich verfahre strikte nach dem Grundsatz, dass ich keinen Schluck Alkohol trinke, wenn ich Auto oder Fahrrad fahre. Trinke ich Alkohol, fahre ich mit dem öffentlichen Verkehr oder gehe zu Fuss. Nun hat mir eine Kollegin berichtet, auch in Fällen, in welchen die Polizei einen betrunkenen Fussgänger aufgreift, könne es zu Problemen mit dem Strassenverkehrsamt kommen. Trifft dies zu?

Wie so oft kommt es auch hier auf die Umstände des Einzelfalls an. Indes ist es tatsächlich nicht ausgeschlossen, dass Sie sich selbst dann mit einem Fahreignungsabklärungsverfahren des Strassenverkehrsamtes konfrontiert sehen, wenn Sie auf das Auto verzichten, stattdessen alkoholisiert durch die Strassen gehen und in der Folge von der Polizei aufgegriffen werden.

So ist die Polizei nach Verordnungsrecht verpflichtet, die für den Strassenverkehr zuständige kantonale Behörde zu informieren, wenn sie Kenntnis von schweren Krankheiten oder von Süchten erhält, die zur Verweigerung oder zum Entzug des Ausweises führen können. Zwar ist dieses Verordnungsrecht in der Lehre auf Kritik gestossen, da die im Strassenverkehrsgesetz angebrachte gesetzliche Grundlage als unzureichend erachtet wird. Nichtsdestotrotz kommt es in der Praxis vor, dass entsprechende Meldungen erfolgen. Meist wird jedoch eine reine Alkoholisierung nicht ausreichen, sondern es braucht darüber hinaus ein auffälliges Verhalten. Sollten Sie jedoch innert kurzer Zeit mehrfach alkoholisiert aufgegriffen werden, dürfte auch hierauf eine Meldung erfolgen, da die Polizei dann annimmt, es würde ein die Fahreignung beeinträchtigendes Suchtverhalten vorliegen. Sollte Ihnen unter solchen Umständen tatsächlich der Führerausweis entzogen werden, würde sich sicherlich eine genauere Prüfung der rechtlichen Sachlage aufdrängen, da die unzureichende gesetzliche Grundlage juristischen Handlungsspielraum bietet.

Samuel Egli
s.egli@frickerseiler.ch

Januar 2021

Nach 10 Jahren Ehe haben mein Mann und ich beschlossen, uns zu trennen. Ich habe mich von seiner Familie nie richtig akzeptiert gefühlt und möchte deshalb so schnell wie möglich wieder meinen Ledignamen annehmen. Muss ich damit bis zur Scheidung warten? Was ist mit dem Familiennamen unseres zweijährigen Sohnes? Da dieser bei mir wohnen wird, wäre es am einfachsten, wenn er den gleichen Nachnamen wie ich – also ebenfalls meinen Ledignamen – tragen könnte.

Sie müssen mit Ihrer Namensänderung nicht bis zur Scheidung warten. Aufgrund der seit Ihrer Heirat zwischenzeitlich in Kraft getretenen Änderungen des Namensrechtes ist dies sofort möglich. Gemäss Art. 8a Schlusstitel ZGB kann der Ehegatte, der vor dem 1.1.2013 seinen Namen bei der Eheschliessung geändert hat, mittels Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten seiner Wohnsitzgemeinde jederzeit (also unabhängig davon, ob die Ehe noch besteht oder bereits geschieden ist) erklären, dass sie oder er wieder den Ledignamen annehmen möchte.

In Bezug auf den Familiennamen Ihres Sohnes ist die Rechtslage etwas komplizierter. Eine Namensänderung des Kindes durch einfache Erklärung wäre nur innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten des neuen Namensrechts möglich gewesen (vgl. Art. 13d Schlusstitel ZGB). Damals war Ihr Sohn noch nicht geboren. Die Namensänderung Ihres Kindes untersteht deshalb den ordentlichen Voraussetzungen von Art. 30 ZGB. Dies bedeutet unter anderem, dass Ihr Ehemann der Namensänderung zustimmen muss und Sie sogenannte „achtenswerte Gründe“ vorbringen können, welche die beantragte Änderung als sinnvoll und nötig erscheinen lassen.  Ob dies in Ihrem Fall zu bejahen ist, kann ich nicht beurteilen. Das Gesuch wäre – sofern Sie im Kanton Aargau wohnen - dem Kantonalen Departement Volkswirtschaft und Inneres einzureichen. Weitere Informationen, Merkblätter und Formulare zu diesem Thema finden Sie auf dessen Homepage.

Karin Koch Wick
k.koch@frickerseiler.ch