Januar 2020
Als Fricktalerin liebe ich selbstverständlich Kirschen und jegliches Gebäck, das mit Kirschen hergestellt wird. Ende Juni 2019 schenkte mir meine im Fricktal wohnhafte Freundin einen selbstgebackenen Kirschenkuchen. Meine Freude beim Verzehr des Kuchens war allerdings von kurzer Dauer: Beim Biss auf einen Kirschenstein brach ich einen Schneidezahn ab. Meine Unfallversicherung weigert sich, die Rechnung meines Zahnarztes zu bezahlen. Sie macht geltend, der Zahnschaden sei nicht Folge eines Unfalles. Trifft das zu?
Ausgangspunkt für die Beantwortung Ihrer Frage ist, ob es sich in Ihrem Fall um einen Unfall handelt. Der Begriff des Unfalls wird in Art. 4 des Bundesgesetzes über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechtes (ATSG) definiert. Danach ist ein Unfall "die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat." Jede Gesundheitsschädigung, die nicht als Unfallfolge zu qualifizieren ist, stellt eine Krankheit dar (Art. 3 ATSG).
In Ihrem Fall ist deshalb zu prüfen, ob der Biss auf den Kirschenstein ein "ungewöhnlicher äusserer Faktor" darstellte. Das Bundesgericht sagt dazu, der äussere Faktor sei ungewöhnlich, wenn er den Rahmen des im jeweiligen Lebensbereich Alltäglichen oder Üblichen überschreitet.
In Ihrem Fall steht fest, dass der Zahnschaden durch eine plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines äusseren Faktors verursacht wurde. Ihre Unfallversicherung vertritt indessen die Auffassung, die "Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors" sei nicht gegeben, weshalb kein Unfall vorliege.
Ihre Unfallversicherung kann sich auf die Praxis des Bundesgerichtes abstützen, welches in einem ähnlich gelagerten Fall festgestellt hat: "Im vorliegenden Fall war nicht der Kirschenstein ungewöhnlich, sondern lediglich die durch das Beissen auf den Stein verursachte schädigende Einwirkung auf den betroffenen Zahn. Weil sich das Merkmal der Ungewöhnlichkeit nur auf den äusseren Faktor selbst, nicht aber auf dessen Wirkung auf den menschlichen Körper bezieht, liegt kein Unfall vor." (BGE 112 V 201 ff).
Ich gebe zu, dass diese Überlegungen des Bundesgerichtes für einen juristischen Laien nicht besonders verständlich sind. Aber: Nach der Praxis des Bundesgerichtes ist klar: Ihre Unfallversicherung hat – für Sie leider – Recht.
Kurt Fricker
k.fricker@frickerseiler.ch