Mai 2019
Als ich von den Ferien nach Hause kam, fand ich, anders als erwartet, nicht meine Wohnung, sondern eine komplett niedergebrannte Liegenschaft vor. Wie sieht die Rechtslage bzgl. des Mietverhältnisses aus? Welche Rechte stehen mir zu? Besteht der Mietvertrag weiterhin? Braucht es in diesem Fall trotzdem eine Kündigung oder erlischt der Vertrag automatisch?
Bei Mängeln am Mietobjekt während der Mietdauer stehen dem Mieter prinzipiell vier verschiedene Optionen zur Verfügung (vgl. Art. 259b – 259i OR). Diese Mängelrechte bestehen grundsätzlich nebeneinander, weshalb sie sich gegenseitig nicht ausschliessen und kumulativ geltend gemacht werden können. Es gilt zu beachten, dass sich die Mängelrechte nur auf diejenigen Mängel beziehen, die weder vom Mieter selbst zu verantworten noch zu beseitigen sind.
Dabei kann die Beseitigung des Mangels auf Kosten des Vermieters als Primäranspruch aufgeführt werden, da sie in der Praxis am häufigsten vorkommt. Oftmals wird im Zusammenhang einer Mängelbeseitigung auch eine Herabsetzung des Mietzinses verlangt. Die Herabsetzung als zweites Mängelrecht gem. Art. 259d OR will keinen Schaden ersetzen. Sie bezweckt vielmehr die Wiederherstellung des Gleichgewichts, d.h. sie berechtigt den Mieter, eine Anpassung seiner Leistung gegenüber der nicht gehörig erbrachten Leistung des Vermieters vorzunehmen. Dazu wird ein Mangel vorausgesetzt, welche die Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch vermindert. Eine qualifizierte Schwere des Mangels oder ein Verschulden auf Seite des Vermieters werden für die Herabsetzung nicht vorausgesetzt. Auch die Beseitigbarkeit des Mangels bildet keine Voraussetzung. Die Dauer der Herabsetzung erstreckt sich über der Entstehung bzw. Entdeckung des Mangels bis zu seiner Behebung. Die Höhe der Herabsetzung richtet sich nach der „relativen Methode“, d.h. der objektive, mängelfreie Wert der Mietsache wird mit dem mängelhaften Wert verglichen und zu diesem Verhältnis herabgesetzt.
Als dritte Option der Mängelrechte wird die Schadenersatzleistung aufgeführt. Auch dieses Recht kann, wie die obig aufgeführten, kumulativ geltend gemacht werden. Grundsätzlich richtet sich der Schadenersatzanspruch nach den Grundsätzen der Vertragshaftung. Dabei werden sowohl unmittelbare als auch mittelbare Schäden erfasst. Ein Schaden liegt vor, wenn eine ungewollte Vermögensverminderung - Verminderung der Aktiven, Vermehrung der Passiven oder ein entgangener Gewinn - vorliegt. Zudem muss der Schaden als adäquate Folge eines Mangels am Mietobjekt eingetreten sein. Es werden drei verschiedene Vermögensarten unterschieden: Personenschaden, Sachschaden und sonstiger Schaden bzw. Vermögensschaden, wobei der Betriebsausfall unter Letzterem erfasst wird. Keinen Schadenersatzanspruch begründen der Frustrationsschaden und der Kommerzialisierungsschaden. Ein allfälliges Mitverschulden des Mieters führt zu einer Entlastung des Vermieters bei der Bemessung des Schadenersatzes. Der Schadenersatz setzt ein Verschulden des Vermieters voraus. Kann dem Vermieter ein solcher nicht vorgeworfen werden bzw. gelingt ihm der Exkulpationsbeweis, so wird er nicht schadenersatzpflichtig.
Kann die Vermieterin die Mietsache nicht mehr zum ursprünglichen Gebrauch überlassen oder kann die Mieterin den Mietgegenstand nicht mehr benutzen, nachdem die Mietsache bereits übergeben wurde und keine der Parteien ein Verschulden trägt, spricht man von der nachträglichen, objektiven Unmöglichkeit gem. Art. 119 OR. Die Mängelrechte finden in einem solchen Fall keine Anwendung. Das Mietverhältnis erlischt ohne Kündigung, also automatisch und keine der Parteien wird entschädigungspflichtig. Diese Bestimmung setzt jedoch voraus, dass eine Weiterführung des Mietvertrags völlig ausgeschlossen ist. Ist die Mietsache also nur teilweise zerstört bzw. unbrauchbar, so finden die Mängelrechte Anwendung. Wenn beispielsweise nur gewisse, eher unwichtige Teile einer Wohnung durch Feuer zerstört wurden, wird der Mietvertrag nicht automatisch aufgelöst. Im Falle einer vollständigen Zerstörung der Mietsache, hat der Mieter keinen Anspruch darauf, dass der Vermieter die Mietsache wieder erstellt. Bei Auflösung wegen objektiver Unmöglichkeit kann der Mieter höchstens im Voraus bezahlte Mietzinse sowie Sicherheitsleistungen zurückverlangen.
In Ihrem Fall handelt es sich nicht um Mängel. Daher kommen weder eine Beseitigung noch eine Herabsetzung des Mietzinses in Frage. Ihre niedergebrannte Wohnung begründet die nachträgliche, objektive Unmöglichkeit gem. Art 119 OR, sofern eine Weiterführung des Mietverhältnisses völlig ausgeschlossen ist. Demnach erlischt Ihr Mietverhältnis automatisch und der Vermieter schuldet Ihnen keinen Schadenersatz. Ferner können Sie nicht verlangen, dass Ihr Vermieter die Mietsache wieder erstellt. Ihr einziger Anspruch beschränkt sich auf die Rückforderung von im Voraus bezahlter Mietzinse und Sicherheitsleistungen.
Ramona Bieri, angehende Bachelorabsolventin in Rechtswissenschaften mit Wirtschaftswissenschaften